Jef Verheyen. Window on Infinity
➤ 23. März bis 18. August 2024 im KMSKA, dem Königlichen Museum der Schönen Künste Antwerpen
Das Königliche Museum der Schönen Künste Antwerpen (KMSKA) präsentiert ab dem 23. März, dem 40. Jahrestag seines Todes, die Ausstellung Jef Verheyen. Window on Infinity – es ist die erste museale Einzelausstellung des flämischen Künstlers in seiner Heimatstadt. Die Ausstellung konzentriert sich auf den konzeptionellen Charakter von Verheyens Kunst und seine Rolle als Brückenschaffender zwischen moderner und konzeptioneller Kunst.
Das Werk von Jef Verheyen (1932-1984), der häufig als Meister der modernen Avantgarde und als Künstler, der im Zentrum eines internationalen Netzwerks von ZERO-Künstlern arbeitete, genannt wird, ist für die europäische Kunstwelt von größter Bedeutung. In der Ausstellung werden die Besucher*innen sein faszinierendes Spiel von Licht und Dunkelheit, von Form und Farbe entdecken.
Verheyens Werke werden in einen Dialog mit seinen Vorgänger*innen, Zeitgenoss*innen und mit der zeitgenössischen Kunst gestellt. Renommierte Leihgaben, unter anderem von der Yves Klein Foundation, dem Uecker Archiv und der Fondazione Lucio Fontana, bereichern die Ausstellung und stellen Verheyen in einen internationalen Kontext.
Die Ausstellung ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Königlichen Museum der Schönen Künste Antwerpen (KMSKA) und dem Museum für Zeitgenössische Kunst Antwerpen (M HKA), mit Unterstützung des Jef Verheyen Archivs.
Sarah Spörer erkundigte sich bei Annelien De Troij (M HKA), der Co-Kuratorin über die Ausstellung:
Drei Fragen an Annelien De Troij, Co-Kuratorin der Ausstellung Jef Verheyen. Window on Infinity.
Sarah Spörer: Was erhoffen Sie sich von der kommenden Jef Verheyen-Ausstellung in Antwerpen?
Annelien De Troij: Ich hoffe, dass diese Ausstellung ein neues Licht auf die spezifische Position Verheyens nicht nur innerhalb der ZERO-Bewegung, sondern auch als Künstler, der die Grenzen zwischen Tradition und Avantgarde auslotete, werfen wird. Seine Faszination für die chinesische monochrome Malerei und Keramik zum Beispiel, ist mehr als nur eine Illustration seines Interesses an östlicher Kultur und Philosophie. Sie verbindet seine eigene künstlerische Intuition mit einer langjährigen monochromen Tradition. Über den Umweg der Keramik erkundete Verheyen die Möglichkeiten der monochromen Malerei.
Seine erste Reise nach Mailand hat diese frühen Experimente zweifelsohne verstärkt. Ende 1957 schuf er eine Reihe von Bildern, die er bewusst als „monochrom, bichrom und trichrom“ bezeichnete. Bereits 1958 verwendet Verheyen in seinem Manifest Essentialismeden Begriff „achrom“. Etwa zur gleichen Zeit begann Manzoni, den Begriff konsequent zu verwenden, um seine farblosen Experimente von 1958-1959 zu beschreiben. Die terminologische Verwandtschaft unterstreicht, dass Verheyen zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Entwicklung der Nachkriegsavantgarde in Mailand angekommen war. Verheyens Bewusstsein für diesen Schlüsselmoment trieb seine Entschlossenheit an, Anfang 1959 in Antwerpen eine „internationale Manifestation für monochrome Malerei“ ins Leben zu rufen. Obwohl dieses Projekt nur als Traum auf dem Papier existierte, wurde es als Vorläufer für die legendäre Ausstellung „Monochrome Malerei“ von 1961 im Museum Morsbroich in Leverkusen, angesehen. Ganz allgemein handelt es sich um einen der ersten, von Künstlern initiierten Versuche, eine Neo-Avantgarde zu etablieren.
Sein Denken drängte ihn jedoch regelmäßig an die Grenzen des Konzeptuellen. Er verbindet eine modernistische Tradition mit einer eher konzeptuellen Kunst. Es ist das erste Mal, dass eine Museumsausstellung Verheyen als Vorläufer der zeitgenössischen Kunst feiert. Deshalb haben wir auch die zeitgenössischen Künstler Ann Veronica Janssens, Kimsooja, Pieter Vermeersch und Carla Arocha & Stéphane Schraenen eingeladen.
Sarah Spörer: Was verbindet Jef Verheyen mit der Kunst rund um ZERO?
Annelien De Troij: Verheyen fühlte sich mit den internationalen monochromen Malern verbunden. Ihre „kunstlose Kunst“ bot eine Alternative zur gestischen oder informellen Malerei. Für sie zählte nur die Poesie der reinen Materie, der Farbe oder der Abwesenheit von Farbe, denn, wie Verheyen formulierte: „In einer monochromen oder achromen Malerei muss das Licht eher gefühlt als gesehen werden.“
Um das Potenzial der Idee oder des Konzepts freizusetzen, haben Künstler wie Piero Manzoni und Lucio Fontana wie auch die Düsseldorfer ZERO-Künstler eine Nullmarke überschritten. Sie schöpften die künstlerischen Möglichkeiten der Malerei gleichsam aus, um die Freiheit eines neuen visuellen Denkens zu erkunden, ausgehend von dieser „Tabula rasa“.
Verheyen war Zeuge dieses einzigartigen Moments in Mailand. Doch während sich einige Zeitgenossen aus der ZERO-Bewegung wie Hermann Goepfert oder Günther Uecker Anfang der 1960er Jahre von der Malerei verabschiedeten, hielt Verheyen weiterhin an seinem altbewährten Medium fest: der Malerei.
Sarah Spörer: Haben Sie einen persönlichen Favoriten in der Ausstellung für ZERO-Begeisterte? Wenn ja, welchen?
Annelien De Troij: Ich denke sofort an Le Vide (The Void). Überraschenderweise handelt es sich dabei nicht um ein Gemälde, sondern um eine 1963-1965 entstandene Skulptur:
Verheyen fuhr fort, die Idee konzeptionell zu entschlacken. So erkundet er in seinem Werk die Suggestion des Raums durch ein Fenster, einen Rahmen. In seinen zweidimensionalen Werken lenkt ein gemaltes Fenster den Blick des Betrachters auf einen unbegrenzten Raum, in dem — wie im taoistischen Denken — Leere Raum für Kontemplation schafft. Verheyens Gemälde erkunden also die Suggestion des unendlichen Raums.
Aber hier, in Le Vide, hat Verheyen buchstäblich einen Rahmen verwendet, der zum ultimativen Fenster zur Unendlichkeit wird. Er besteht aus einem einfachen Rahmen aus verchromtem Metall. Später, im Jahr 1967, entwickelte er diese Idee weiter, als er zusammen mit Günther Uecker die Freiluftausstellung Vlaamse Landschappen (Flämische Landschaften) in Ostflandern organisierte. Verheyen und Uecker platzierten vergrößerte Holzrahmen in einer arkadischen Landschaft als Einladung an die Betrachter, sich in der meditativen Stille des sich öffnenden Raumes zu verlieren. Man könnte dieses Projekt ohne Weiteres als einen Vorläufer der „konzeptuellen Landart“ betrachten. Es verdeutlicht, wie zentral die Idee in Verheyens Werk geworden war.
Günther Uecker – Lichtbogen.
Entwürfe zu Kirchenfenstern im Dom zu Schwerin
➤ 30. Januar bis 2. Juni 2024, Sonderausstellung im Goethe-Museum Düsseldorf
„Wasserfarben, Tinte, Tempera und Leim, vermischt, auf Papier und Leinwand aufgetragen, bilden im Vermischen der Pigmente im Wasser eine fließende Randzone. Ein Lichtbogen, der uns ins Universum führt auf der Narbe unserer Verletzungen.“ – So Günther Uecker über den Arbeitsprozess an seinen Kirchenfensterentwürfen, die er „Lichtbogen“ nennt.
Am 17. September 2023 wurden im Dom zu Schwerin die ersten beiden von insgesamt vier Kirchenfenstern nach Entwürfen von Günther Uecker mit einem festlichen Gottesdienst eingeweiht. Fenster drei und vier werden im Herbst 2024 folgen. Die Sonderausstellung „Günther Uecker – Lichtbogen, Entwürfe zu Kirchenfenstern im Dom zu Schwerin“ dokumentiert die Entwicklung des Projektes von ersten Entwürfen bis zur Umsetzung in Glas durch ein Spezialstudio.
Sarah Spörer unterhielt sich mit Barbara Steingießer, Kuratorin der Ausstellung, über die Highlights und die Verbindung von Uecker zu Goethe.
Kurz-Interview zur Sonderausstellung „Günther Uecker – Lichtbogen. Entwürfe zu Kirchenfenstern im Dom zu Schwerin“ mit Barbara Steingießer, Kuratorin im Goethe-Museum Düsseldorf
Sarah Spörer: Worauf legen Sie besonderen Wert in der Ausstellung?
Barbara Steingießer: Goethe war der Ansicht, dass Galerien und Museen nicht immer dasselbe zeigen, sondern „ein Unendliches in Bewegung“ sein sollten. Diesem Prinzip folgend, präsentieren wir in unseren Sonderausstellungen immer wieder andere Exponate aus unserer Sammlung und stellen sie in einen neuen, überraschenden Zusammenhang. So lassen sich Brücken schlagen, nicht nur zwischen den Künsten, sondern auch über geografische, historische und kulturelle Grenzen hinweg.
Sarah Spörer: Was verbindet Uecker mit Goethe?
Barbara Steingießer: Es gibt drei konkrete thematische Bezüge, die wir in der Ausstellung anhand von Exponaten aus unserer Sammlung veranschaulichen. Sowohl Günther Uecker als auch Johann Wolfgang Goethe haben sich intensiv mit den folgenden drei Themen auseinandergesetzt:
1. Die Architektur der Gotik
2. Das Naturphänomen eines Lichtbogens am Himmel und seine symbolische Bedeutung
3. Die Farbe Blau
Zu 1.: Bevor Günther Uecker die Lichtbogenfenster für den Schweriner Dom entworfen hat, reiste er nach Schwerin und nahm sich die Zeit, vor Ort mit Skizzenblock und Bleistift die Architektur dieser Kathedrale zu studieren.
Auch Goethe hat sich intensiv mit diesem Baustil auseinandergesetzt. Das Straßburger Münster, das er als Student besuchte, begeisterte ihn so sehr, dass er als erstes Einzelwerk seiner Autorenkarriere eine Schrift mit dem Titel Von deutscher Baukunst veröffentlichte. In späten Jahren setzte er sich für die Vollendung des Kölner Domes ein.
Zu 2.: Den Bezug zum Regenbogen stellt Uecker selbst her, indem er einen Vers aus dem 1. Buch Mose der Lutherbibel zitiert, der lautet: „Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.“
Goethe war sein Leben lang fasziniert vom Regenbogen, einerseits als Friedenszeichen in einer von Kriegen erschütterten Zeit und andererseits als Naturphänomen, das er ergründen wollte. Mehrmals beschrieb er den in der Natur äußerst selten vorkommenden weißen Lichtbogen, auch „Mondbogen“ oder „Nebelbogen“ genannt, weil er nachts bei Vollmond oder auch tagsüber, aber dann nur bei Nebel sich zeigt. Für seine weiße Erscheinung ist bei Nebel die geringe Größe der Niederschlagströpfchen verantwortlich und bei Nacht die umgebende Dunkelheit.
Zu 3.: Wie vom Regenbogen ging auch von der Farbe Blau für Goethe eine große Faszination aus. Das Blau des Himmels war für ihn ein – wie er es nannte – „Urphänomen“. „Das Höchste wäre“, schreibt er, „zu begreifen, daß alles Factische schon Theorie ist. Die Bläue des Himmels offenbart uns das Grundgesetz der Chromatik.“ – „Diese Farbe“, schreibt Goethe über das Blau, „macht für das Auge eine sonderbare und fast unaussprechliche Wirkung. Sie […] ist in ihrer höchsten Reinheit gleichsam ein reizendes Nichts.“ Und: „Auf den höchsten Gebirgen erscheint der Himmel bey Tage hochblau, bey Nacht schwarz wie Ebenholz.“ Beides, die unergründlich dunkle, verdichtete, konzentrierte und die unendlich leichte, helle, verdünnte Beschaffenheit der Farbe Blau finden sich in den drei Meter hohen Leinwandentwürfen Günther Ueckers in der Ausstellung wieder. Jeweils ein weißer Bogen, ausgespart aus Blau, das so weit ist wie der Himmel und so tief wie das Meer, schreibt sich in die Wölbung des gotischen Spitzbogens ein.